Ich will frei sein!
Es gibt Menschen, die scheinbar keine Verpflichtung eingehen können. Sie kommen zu Verabredungen zu spät oder sagen in der letzten Minute ab. Sie überlegen lange, ob sie etwas unterschreiben sollen. Aufgaben nehmen sie nicht ernst oder übernehmen sie generell keine Verantwortung und einige gehen keine Beziehungen ein oder nur in einer unverbindlichen Form.
Es gibt dann die, die sich darüber aufregen und sich ärgern. Manche kritisieren dieses Verhalten auch in der Öffentlichkeit.
Dann gibt ein paar Menschen, die es gelassen hinnehmen. Sie selbst gehen Bindungen ein und übernehmen die Verantwortung.
Was hat das mit Freiheit zu tun?
Viel mehr, als ich bis heute dachte.
Als ich heute früh im Bus saß, ging es mir ein Licht auf. Für die meisten Menschen bedeutet Bindung – Verpflichtung. Sie haben das Gefühl dann von anderen gesteuert zu werden und fühlen sich oft machtlos oder hilflos. Es ist wie ein Schrei nach Freiheit. Sie versuchen so ihre Macht zu behalten, die ihnen wiederholt zu entgleiten scheint. Und es gibt auch genug Menschen, die erwarten, dass wir auch Rollen, Pflichten oder Verantwortung übernehmen, die tatsächlich nicht unser ist und sie uns verpflichtet und versucht zu binden.
Was ist aber Freiheit? Kann ich frei sein, wenn ich ganz allein bin? Wenn ich nirgendwohin gehe, keine Verträge abschließe und nur das Nötigste tue? Ist das nicht auch eine Art Gefängnis? Ist das nicht auch eine Art Pflicht, sich von allem herauszuhalten? Wenn ich genug Materielles habe und sie sicher aufbewahre?
Oder bedeutet Freiheit doch, dass ich mich mit anderen Menschen, mit der Natur, mit meinem Umfeld ver-binde? Dies aber bewusst tue und dabei uns beiden die Freiheit selbst zu sein gewähre? Indem wir gemeinsam wachsen, ohne einander zu lenken und zu behindern? Wo jeder die Verantwortung für sich, ihre Gedanken, Gefühle und Taten übernimmt? Wäre dies die Freiheit? Für mich schon.
"Freiheit ist bewusste Verbundenheit."
Hajnalka Triemer
Wie lebe ich diese Freiheit?
Da ich selbst früher in der ersten zwei Kategorien gehört habe, weiß ich, wie herausfordernd es sein kann, diese zu verlassen. Ich habe früher die Verantwortung gern abgegeben. Es waren andere Schuld, wenn etwas nicht funktionierte. Gleichzeitig ärgerte ich mich, wenn jemand nicht pünktlich war, obwohl ich das immer bin. Dann entdeckte ich die 3. Kategorie, die ich lebe und mir diese Leitlinien dabei helfen.
1. Bewusste Beziehungen
Was für mich wichtig ist, dass meine Beziehungen (zu den Menschen, Natur, materiellen Gütern usw.) frei sind. Wenn ich über den anderen verärgert, enttäuscht, traurig bin, dann überprüfe ich meine Erwartungen. Wünsche ich mir, dass die andere Person etwas tut oder sagt? Erwarte ich, dass sie meine Bedürfnisse erfüllt (z. B., dass die mich tröstet, zum Lachen bringt, unterstützt), ohne dass ich sie darum offen gebeten hatte? Will ich, dass sie alles macht, was ich sage oder bitte? Erwarte ich von mir, dass ich einem bestimmten Bild entspreche? Überlege ich oft, was die andere Person benötigt, statt zu fragen? Usw.
2. Bindungen auf Stimmigkeit überprüfen
Bevor ich eine neue Verbindung schaffe, sei es eine neue Beziehung oder einfach Kauf eines Produktes, ich schaue immer, ob dies mir guttut. Da hilft mir immer die Frage: Gibt es mir Kraft? Wenn ein klares Ja in mir aufkommt, mache ich. Wenn ein Nein kommt, lasse ich. Am Anfang kann die innere Antwort sehr diffus sein, aber je öfter Sie dies üben, desto leichter fällt es. Sie können z. B. dein Einkauf im Supermarkt dafür nutzen: fragen Sie bei jedem Produkt, die Sie in den Wagen tun: sie werden überrascht, was alles nicht mehr mitkommt.
3. Loslassen
Alte Beziehungen (Personen, materielle Güter usw.), können lange halten oder wir können lange daran festhalten. Es ist wichtig immer wieder Punkt 1 und 2 auch mit dem, was schon da ist, zu überprüfen. Ich erlebe oft in meiner Umgebung und ich habe selbst schon oft erlebt, dass wenn eine Krise durchgemacht wurde oder man sich selbst weiterentwickelt hat, fühlt man sich mit dem alten Umfeld nicht mehr so konform. Hier kann man die Schuld bei den anderen suchen (habe ich oft getan) oder einfach zugeben, dass man selbst nicht mehr da hinpasst.
Hier kann ich dann entscheiden, ob ich trotzdem in dem Umfeld bleibe oder schrittweise eine neue Suche und die alte loslasse. Wichtig ist dabei, die alten Bindungen zu respektieren. Sie waren lange genau die richtigen für mich und haben mich so weit gebracht, wohin ich jetzt bin. Es gibt einfach Momente, in denen die Wege sich scheiden und das ist ok.
4. Greifbar machen
Eine Klientin hatte in jüngster Vergangenheit gesagt, sie möchte sich greifbar machen. Sie hatte die Erkenntnis, dass, nur wenn sie bereit ist, sich selbst mehr so zu zeigen, wie sie tatsächlich ist und auch die Bereitschaft mitbringt, verletzlich zu sein, können richtige Beziehungen entstehen. Wenn Sie wollen, dass Ihre Mitmenschen sie lieben, müssen sie auch bereit sein, sie zu lieben. Und dies bedeutet, als Erste lernen vor sich selbst alle Masken fallen zu lassen und ehrlich zu sich zu sein, dann auch beginnen, dies Ihren Liebsten gegenüber auch zu tun.
5. Achtsam mit mir umgehen
Ich habe gelernt, mich zu beobachten. Was sage, denke, fühle und tue ich. Ich habe begonnen mich selbst kennenzulernen und inzwischen weiß ich, dass dieser Prozess nie aufhört. Ich schaue ganz genau darauf, wie es mir geht. Dies bedeutet auch mal Nein für andere zu sagen, wenn ich merke, dass ich die Energie aktuell dafür nicht habe. Diese Entscheidung treffe ich bewusst, weil ich weiß, wenn ich mich verausgabe, schade ich mir und kann den anderen auch nicht wirklich unterstützen und schade ihn auch.
6. Verantwortung übernehmen
Das war am schwierigsten für mich. Für meine Taten, Gedanken und Gefühle geradezustehen, ohne sie auf dem Gegenüber zu projizieren. Nur wenn ich meine Entscheidung und die Konsequenzen dafür übernehme, unabhängig von der Meinung anderer, erst dann werde, darf ich wirklich frei sein.
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Daniela Rosker (Samstag, 20 Juli 2024 17:20)
Ein ganz toller Beitrag. Danke dafür �